Entwurfsverfasser Landschaftsarchitektur:
Andrea Gebhard, mahl gebhard konzepte PartG mbB
Mitarbeiter: Johannes Kruck, Cyril Dejonghe
am Bau beteiligte Firmen: Gzimi Garten- und Landschaftsbau GmbH, Olching
Auftraggeber/Bauherr: CA Immo Deutschland GmbH
Bearbeitungszeitraum: 2013 - 2019
Fläche: 15 ha
Planungs-/Baukosten: ca. 5 Mio. Euro
Juryurteil:
Dem neu entstandenen Stadtquartier Baumkirchen Mitte verleiht der rund sieben Hektar umfassende Freiraum auf der Fläche des ehemaligen Bahnbetriebswerkes seine ganz besondere Identität und schafft die Möglichkeit eines in der Stadt selten gewordenen Landschafts- und Naturerlebens.
Grundlage dafür ist der behutsame Umgang der Entwurfsverfasser mit den vorgefundenen Bahnflächen-typischen Vegetationsstrukturen und dem daran angepassten faunistischen Artenspektrum.
Ein sich leicht über das Parkniveau hebender Steg macht die besondere Ästhetik der mosaikförmigen, schnell wechselnden Vegetationsbilder für Parkbesucherinnen und Parkbesucher erlebbar. Aufgegebene Gleis- und Signalanlagen, ebenso wie die ehemalige Drehscheibe, werden zu Elementen der Parkgestaltung und damit zu Zeugen der Geschichte dieses Ortes.
Um die besonderen und wertbestimmenden Standorteigenschaften dieser Parklandschaft nachhaltig zu sichern, wurde begleitend zum Entwurfsprozess vorausschauend ein Pflegekonzept entwickelt.
Der neu entstandene Park ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie durch den respektvollen Umgang mit dem Bestand ein abwechslungsreiches, sich wandelndes Stück Stadtnatur entstehen konnte, das dem zu beklagenden Artenrückgang eine zeitgemäße Antwort entgegenstellt.
Projekterläuterung:
Baumkirchen Mitte – Ein neues Quartier entsteht
Auf dem 15 Hektar großen Gelände des ehemaligen Bahnbetriebswerkes München 4 in Berg am Laim entsteht seit 2013 das Stadtquartier „Baumkirchen Mitte“. Fast 70 Jahre lang wurden hier Lokomotiven und Güterwaggons rangiert und repariert. Nun bietet das Areal Raum für etwa 1.300 Einwohnerinnen und Einwohner, Arbeitsplätze, Einzelhandel und öffentliche Grünflächen.
Grundlage für das Bebauungsplanverfahren war ein 2010 von der Landeshauptstadt und CA Immo durchgeführter städtebaulicher und landschaftsplanerischer Ideenwettbewerb, aus dem der Entwurf von Peter Ebner & Friends und von Mahl Gebhard Konzepte siegreich hervor ging. Die Freiflächen mit ihren integrierten Spielflächen sollen die Anwohner sowie Besucher zum Verweilen und Erholen einladen.
Der Bestand ein „hot spot“ der Biodiversität
Pflanzenwuchs auf aktiven Bahnflächen unterliegt permanenter Störungen. Fallen Bahnflächen aus der Nutzung, so regiert die Vegetation relativ rasch darauf. Deshalb sind die stillgelegten Gleisanlagen heute von mosaikartiger Vegetation geprägt und erhalten ihren eigenen Charme durch die offenen Ruderalflächen, die sich mit aufkommenden Birken und rahmenbildenden, älteren Gehölzen abwechseln.
Kurzum: Das Bahnbetriebswerk entwickelte sich durch die Stilllegung zu einer naturnahen Bahnbrache. Humusarme Substrate (z.B. Gleisschotter) speichern kaum Wasser und begünstigen dadurch schüttere Magerrasen. So ist hier ein „hot spot“ der Biodiversität entstanden, das dem Areal in Kombination mit der belassenen Gleisanlage eine besondere Identität verleiht. Mehrere geschützte Tierarten haben aufgrund der für sie idealen, trockenen und heißen Standortbedingungen und der Mischung aus lückiger, niedriger Vegetation und besonnten Säumen und Gebüschen einen Vorkommensschwerpunkt. Zahlreiche Insekten wie die Blauflügelige Ödlandschrecke und die Blauflügelige Sandschrecke, aber auch kleine Wirbeltiere wie die Zauneidechse können auf der Vorrangfläche beobachtet werden - sie sind streng geschützt (§7 (2) 14, BNatSchG).
(Pflege)Konzept
Um diesen naturnahen Trockenstandort mit seiner hohen Artenvielfalt zu erhalten, wurde ein Pflege- und Entwicklungskonzept aufgestellt. Die Sukzession führt ohne weitere Pflege zu waldartigen Beständen, weshalb die immer wiederkehrende Zurücknahme des Gehölzaufwuchses und die Freihaltung geeigneter, besonnter Standorte wichtige Maßnahmen darstellen.
Im Bereich der Sukzessionsflächen wird das Totholz belassen, um Insekten und kleinen Wirbeltieren Unterschlupf zu bieten. Die Rohbodenrotation bietet nicht nur Reptilien wie der Zauneidechse einen idealen Standort um ihre Eier in die sandigen Böden zu legen.
Minimaler Eingriff - Monitoring und Erlebnispfad
Mittels aufwändigem Monitoring und eigens entwickelter Stege konnten naturschutzfachliche Belange eingehalten werden und dennoch die Fläche für Anwohner als naturnaher Erholungsraum barrierefrei erschlossen werden. Der enorme Höhenunterschied zwischen Wohnbebauung und ökologischer Vorrangfläche konnte mit Rampen ausgeglichen werden. Der Erlebnispfad im tieferliegende Gleisbereich ist auf der Westseite über Treppen und an der Ostseite durch eine barrierefreie Rampe erreichbar. Der aufgeständerte Weg führt vorbei an der historischen Eisenbahn-Drehscheibe, mit der früher Waggons und Lokomotiven bewegt wurden. Hier ist eine Tribüne entstanden, sodass die Lokdrehscheibe als Freilufttheater dienen kann.