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Der Bunker St. Pauli ist ein Pionierprojekt für baukulturelle Transformation, das die Grenzen zwischen Architektur, Natur und urbanem Leben neu definiert.
1. Historie, Gebäude und Transformation
Der Bunker St. Pauli (Baujahr 1942) diente mit seinen gewaltigen Außmaßen (Grundfläche 75 x 75 Meter, Höhe 38 Meter) als Schutzraum für mehr als 18.000 Menschen. Nach Kriegsende wurde er u.a. für TV- und Radioproduktionen, Konzerte, Clubs und Kulturveranstaltungen genutzt ("Medienbunker") und schließlich unter Denkmalschutz gestellt. Mit seiner Lage in direkter Nachbarschaft zum Karolinenviertels, dem Fußballstadion FC St. Pauli und dem Heiligengeistfeldes (mit "Hamburger Dom") nimmt das Gebäude eine prominente Rolle im Stadtbild ein. 2014 trug eine Anwohnerinitiative die Idee eines terrassierten Neubaus mit Begrünung an den Erbpächter der Immobilie heran und gründete den Verein Hilldegarden e.V., der sich seitdem aktiv in den Prozess einbringt. Eine Machbarkeitsstudie (2015, Landschaftsarchitektur+) legte den Grundstei, 2024 erfolgte die Übergabe an die Nutzer. Der Neubau beherbergt ein Hotel, Gastronomie, eine Sport- und Veranstaltungshalle, Künstlerwohnungen, Ausstellungsbereiche zur Geschichte des Gebäudes und Räume für Stadtteilarbeit.
2. Dachgarten, "Bergpfad" und Partizipationsflächen
Kernstück ist die Dach- und Fassadenbegrünung, die den Neubau in einen "grünen Hügel" verwandelt. Die Planung umfasste rund 7.600 qm Dachbegrünung und mehr als 3.000 qm Fassadenbegrünung (Rankseilsystem, Stahlnetz, direkt). Die Begrünung verteilt sich über sechs Geschosse, auf der obersten Ebene in 58 Metern Höhe mündet sie in einen öffentlichen Stadtgarten von ca. 1.400 qm mit Aussichtspunkten, Obstbäumen, begrünter Pergola, Sitzmöglichkeiten und kleiner Liegewiese (darunter technische Aufbauten). Die Erschließung erfolgt über eine das Gebäude umlaufende Treppen- und Rampenanlage, den sog. "Bergpfad" mit einer Länge von 560 Metern. In enger Zusammenarbeit mit dem Verein Hilldegarden eV. wurden Außenflächen für Stadtteilarbeit (z.B. Urban Gardening, Kinderbildung) entwickelt.
3. Pflanzplanung
Die Bedingungen des Standorts waren herausfordernd: Frost, Hitze, Trockenheit und starker Windeinfluss. Gemäß Vorgaben wurde ein Großteil der Begrünung mit immergrünen Gehölzen realisiert, ergänzt durch Laubgehölze und Stauden. Insgesamt kamen rund 4.700 Gehölze und 16.000 Stauden zum Einsatz. Hauptakteure: Pinus mugo, Pinus Sylvestris 'Watereri', Amelanchier lamarckii, Acer campestre, Prunus lusitanica 'Angustifolia', Eleagnus ebbingei. In Teilbereichen finden sich zudem alte, lokale Apfelbaumsorten und andere essbare Sorten. Die Bepflanzung orientiert sich an der natürlichen Vegetation mit einer Staffelung im Bewuchs, als Vorbild standen "Lost Places" Pate, in denen sich die Natur ihren Raum zurückerobert. Die Vegetation entlehnt sich Küsten- und Bergregionen, die Pflanzung erfolgte in mehreren Generationen. Den älteren Gehölzen wurden Junggehölze zur Seite gestellt. Eine dichte Verzahnung der Vegetation als Windschutz ist ausdrücklich erwünscht und im mehrjährigen Pflegekonzept verankert.
4. Regenwassermanagement/Schwammstadt-Prinzip/Klimaschutz
Wesentlicher Teil der Planung war der ressourcenschonende Umgang mit Niederschlägen. In Substratschichten bis zu 90 cm sowie Retentionsboxen mit dauerhaftem Anstau und Kapillarbrücken verbleibt der Großteil auf den Dachflächen. Überschuss gelangt über gedrosselte Abläufe (teils "Smart Flow" mit Antizipation von Starkregenereignissen und automatischer Entleerung) kaskadisch in eine Zisterne mit einem Fassungsvermögen von 500 m3. Von dort wird es für die Bewässerung wiederverwendet.
5. Forschung und Vorbild
Der Bunker St. Pauli wird im Rahmen eines mehrjährigen Forschungsprojektes der TU Berlin / Fachbereich Gebäudetechnik + Entwerfen hinsichtlich der Wirkung der Begrünung auf Mikroklima und Betriebskosten des Gebäudes evaluiert. Die Integration der Forschungsmesstechnik wurde planerisch mitbehandelt. Ziel ist die Ableitung von Planungsempfehlungen für andere Bauvorhaben bzgl. Klimaanpassung/Klimaschutz
Die dichte Bepflanzung mit robusten Gehölzen erschafft neue Räume © Boris Storz, Landschaftsarchitektur+, 2024
Auch aus dem Gebäudeinneren bieten sich grüne Ausblicke © Boris Storz, Landschaftsarchitektur+, 2024
Öffentlicher Dachgarten mit Apfelbäumen, Rasenfläche, Pergola und umlaufender Sitzmauer © Boris Storz, Landschaftsarchitektur+, 2024
Stampfbetonmauer - Patina erwünscht! - mit extensiver Staudenpflanzung © Boris Storz, Landschaftsarchitektur+, 2024
Der obere "Bergpfad" um den Neubau © Boris Storz, Landschaftsarchitektur+, 2024
Moosgarten mit Findlingen und Apfelbäumen auf dem sog. "Bunkerkragen" © Boris Storz, Landschaftsarchitektur+, 2024
Die Begrünung erstreckt sich über eine Höhe von ca. 35 bis 58 Meter © Boris Storz, Landschaftsarchitektur+, 2024
Überhängende Gehölze und Fassadenbegrünung bedecken die Gebäudeflächen © Boris Storz, Landschaftsarchitektur+, 2024
Bunker St. Pauli aus der Vogelperspektive (Stand Baustelle April 2024) © Julian Benesch, Landschaftsarchitektur+, 2024
Der Bunker prägt Hamburgs Silhouette © Boris Storz, Landschaftsarchitektur+, 2024
Entwurfsverfasser:innen
Felix Holzapfel-Herziger
Landschaftsarchitektur+ Holzapfel-Herziger & Benesch PartG mbB
Mitarbeitende
Mitarbeiterinnen: Paula Monedero, Mareile Bleßmann, Julian Benesch
Fachplanung / Bauleitung
Pflanzplanung: Mark Krieger, Ingrid Gock
Bewässerungsplanung: Grahm Beregnungs- und Fogtechnik
am Bau beteiligte Firmen
Baumschule: Lorenz von Ehren GmbH & Co. KG
Garten- und Landschaftsbau: Klaus Hildebrandt AG
Begrünungssystem: Optigrün international AG
Auftraggebende | Bauherrschaft
EHP Erste Hanseatische Projektmanagement GmbH
Bearbeitungszeitraum
2015-2024
Planungs- / Baukosten