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Science Courtyard

Winnipeg, Manitoba, Kanada

SCIENCE COURTYARD
Chlorophyll, Sonnenlicht, Zeit und eine ungewöhnliche Zusammensetzung lokaler Materialzutaten verwandeln einen vormals unbemerkten Ort in eine vielbesuchte und beliebte Campuslandschaft.

Mit einfachen Mitteln wurde ein versteckt liegender Hof in einen lebendigen Treffpunkt verwandelt. Auf drei Seiten umrahmt von Vorlesungs- und Laborgebäuden vermittelt der Gartenhof zwischen den Betriebsamkeiten der existierende Studierendenlounge mit Café und der Alltagshektik des Akademischen Betriebes, indem er auf charmante Weise die akademische Welt mit der Szenerie einer pittoresken Baumgruppe und der fluvialen Dynamik des Red Rivers verbindet.

Eine raumgreifende Plattform aus polygonalen Kalksteinblöcken und Ortbeton spannt sich in wohldosierter Distanz zu den schattenwerfenden Gebäuden, sodass Menschen und Pflanzen von Frühjahr bis Herbst die wärmenden Sonnenstrahlen einfangen können. Ein wesentlicher Aspekt in einem Klima, das umschrieben werden kann mit neun Monaten Winter und drei Monaten ohne Eislaufen. Diese Plattform verbindet Architektur und Landschaft, bietet Raum für Feierlichkeiten, Pausen im Alltag und ist Bühne für unterschiedlichste Aufführungen im ’Theatrum Academicum’.

FELDVERSUCHE
Das experimentelle Verschmelzen von Raum und Materialien, gärtnerischer Ökologie, Bodenkunde, Soziologie und Entomologie tragen zum Gelingen des Vorhabens bei. Die bisweilen unorthodoxen Materialverwendungen kombinieren Schlichtheit mit lokaler Verfügbarkeit aller Ingredienzien und folgen einer absichtsvollen Choreografie zur feinfühligen Umwandlung des Ortes in einen Brennpunkt sozialer und ökologischer Diversität.

Böden und Pflanzen sind elementare Bausteine zur Anreicherung der Biodiversität und entfachen Konnotationen zu ‘Natur‘ und Wildnis im diesem semiurbanen Kontext. Die verwendeten Gesteine kommunizieren die Geschichte der Landschaftsentstehung in Manitoba: Präkambrium, Ordovizium, und postglazial. Geformt durch Feuer, Eis, Wasser und Wind wird Manitobas Geomorphologie zum begehbaren Archiv, zugänglich auf kleinstem Raum. Studierende und Lehrende besuchen den Ort und lauschen den Steinen, um die Geschichte und Geschichten aufzudecken, welche den Materialien eingeschrieben sind.

Eine mineralische Deckschicht aus gebrochenem, gewaschenem Granitsand übergedeckt den Oberboden. Dieser Versuch basiert auf der Hypothese, dass die heimischen, tiefwurzelnden Präriepflanzen diese trockene, ‚saure‘ Schicht durchdringen und sich Zugang zu Nährstoffen und Wasser verschaffen. Die im darunter liegenden Oberboden schlafenden Samen der invasiven ‘Ungewollten‘ leiden unter Lichtmangel und keimen nicht. Ziel dieses Schichtaufbaues ist die Wiederansiedlung von artenreichen Wiesen aus Präriegrässern und Kräutern als Habitate für Insekten ohne den Einsatz von Pestiziden. Diese bodenvorbereitende Strategie liefert konkrete Anleitungen zur praktischen Umsetzung und unser Erfahrungswissen wird mittlerweile vielfach angefragt.

Nach drei Sommern mit wöchentlichem Monitoring kann gesagt werden: Die ökologische und soziale Performance des Ortes erfüllt die Erwartungen. Die Vielfalt an Insekten, Pflanzen und sozialen Interaktionen hat deutlich zugenommen. Immer öfters treffen wir Studierende bei Pflanzen- und Insektenbestimmungen, beim Suchen nach Pilzproben für ihre Kursaufgaben oder einfach nur beim Tagträumen.

LERNEN UND LACHEN
Der Gartenhof schafft ein neues Gefühl der Zusammengehörigkeit. Er ist ein Ort zum Lernen und Lachen, ein Refugium zum Innehalten und zum Genießen von Sonne und Ruhe, ein Moment zum Durchschnaufen! Bei unseren Beobachtungen sehen wir alltäglich, wie Studierende, Lehrende, Besucher*innen, Grässer, Blüten und Insekten den Gartenhof in Besitz nehmen. Immer wieder fragen Studierende, warum es auf dem Campus nicht mehr Orte dieser Art von ‘Natur‘ gibt. Das ist für uns als Entwerfer die vielleicht schönste Resonanz.


Die Art der Zusammensetzung von gewöhnlichen und ungewöhnlichen Materialien ist besonders in dem Hof. Ein Plädoyer für Experimente mit einfachen Mitteln in überschaubaren Dimensionen zur beabsichtigten atmosphärischen Transformation. © Straub Thurmayr Landschaftsarchitekten, 2019


Elf Finger und zehn Fingernägel. Das Arbeiten im Maßstab 1:1 hat viel zu tun mit der Freude am Detail und dem Zelebrieren des Bauens, wenn alle Materialien in ungewohnter Art zusammengesetzt werden. © Dietmar Straub, Straub Thurmayr Landschaftsarchitekten, 2019


Diversität ist initiiert durch Aggregate mit verschiedenen Körnungen, Farben, pH-Werten. Die ‚bunte‘ Mischung schafft abwechslungsreiche Wuchsbedingungen und Habitate für bodenbrütende Wildbienen ohne den üblichen Einsatz von Pestiziden. © Dietmar Straub, Straub Thurmayr Landschaftsarchitekten, 2019


Die Kunst der Fuge. Zwischenräume und Spalten, gefüllt mit einem mageren, sandigen Substrat sind eine besondere Herausforderung, bieten aber auch Raum für unerwartetes, von Wind und Wasser angespültes Leben in begrenzter Freiheit. © Dietmar Straub, Straub Thurmayr Landschaftsarchitekten, 2024


Blüten, Chlorophyll, Sonnenlicht und die Jahreszeiten sind einfache Mittel, um Räume mit fröhlichem Leben zu füllen. Heimische und nicht heimische Blüten und Grässer vermischen sich zu einer ‚schleierhaften‘ Pflanzengesellschaft. © Dietmar Straub, Straub Thurmayr Landschaftsarchitekten, 2022


Monarchfalter sind Sommerboten und Ikonen der Prärie. Im Hof wurde seit langer Zeit keiner mehr gesichtet. Die lange Blütezeit der Präriewiesen lockt noch viele andere Schmetterlinge, Wildbienen und Grashüpfer an. © Dietmar Straub, Straub Thurmayr Landschaftsarchitekten, 2023


Der Gartenhof materialisiert aber auch die Idee, ein wenig Schutz und Diskretion ins Feld zu setzen. Die Anordnung und die Form der gärtnerischen Körper entwickelt eine kontinuierliche, texturreiche Gartenwiesenlandschaft. © Dietmar Straub, Straub Thurmayr Landschaftsarchitekten, 2022


Räume und Zwischenräume mäandrieren durch das Terrain und laden Besucher ein, den Gartenhof in Besitz zu nehmen. Böden und Pflanzen schaffen regenerative Freiräume für glückliche Augenblicke im zuweilen stressigen Studienalltag. © Dietmar Straub, Straub Thurmayr Landschaftsarchitekten, 2023


Nur wenige Elemente und Farben sind belichtet in dieser Wintersonnenlandschaft. Schnee schafft visuelle und akustische Ruhe. Aus distanzierter Perspektive ist der Winterhof aber so kraftvoll wir der Sommerhof. © Dietmar Straub, Straub Thurmayr Landschaftsarchitekten, 2022


Der Gartenhof ist spielerisch und experimentell. Grenzen sind nicht hermetisch, sondern semipermeabel in der Hoffnung, Streber genauso anzusprechen wie Faulenzer, Vagabunden, Tagträumer, Schmetterling oder Chlorophyllfetischisten. © Jonathan Watts, Straub Thurmayr Landschaftsarchitekten, 2021


Entwurfsverfasser:innen
Dietmar Straub, Anna Thurmayr
Straub Thurmayr Landschaftsarchitekten und Stadtplaner


Fachplanung / Bauleitung
David Wagner Associates Inc.

am Bau beteiligte Firmen
J&K Zinn Landscape Contractors Box 45, Starbuck, MB, R0G 2P0


Auftraggebende | Bauherrschaft
Faculty of Science, University of Manitoba, Krystyna Koczanski, Associate Dean, Administration Faculty of Science, 249 Machray Hall, krystyna.koczanski@umanitoba.ca

Bearbeitungszeitraum
2018 bis 2024

Planungs- / Baukosten
160.000 EUR